„Mir hat das einfach total viel Spaß gemacht“

Silke

Alter: 58
Ausbildung: Studium BWL/Marketing
Beruf früher:
Werbeprofi
Beruf heute: Trainerin für Kommunikation, Coach, Ausbilderin
http://www.silkedillmann.com

Ich wusste nicht, wann ich aussteigen werde, nur, dass ich irgendwann zwischen 40 und 50 bestimmt etwas anderes machen werde.“

(Lesezeit: 10 min)

Nach der Schule, was wolltest du werden?

Ich wusste, dass ich in die Werbung will. Ausschlaggebend war mein Englischlehrer. Wir haben im Unterricht damals die Discover-Gold-Kampagne von Benson & Hedges analysiert, also, wieso, weshalb, warum das so aussah, wie es aussah. Und ich bin von meiner schriftlichen Vier minus auf eine Zwei plus gekommen und habe gedacht, Werbung ist super.

Hat dich dabei jemand beraten, deine Eltern?

Mein Vater fand es zwar gut, dass ich so früh wusste, was ich machen wollte, konnte aber mit Werbung überhaupt nichts anfangen. Meine Mutter hat sich zurückgehalten, aber sie hat mich unterstützt. Allerdings dachten sie, ich bleibe in der Nähe meiner Heimatstadt. Aber ich wollte nach Münster zu Professor Meffert. Das war damals der Marketing-Papst schlechthin, und das hat mein Vater ein bisschen irritiert. Aber auch das hat er unterstützt. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wie verlief deine berufliche Karriere? Welche Ziele hattest du?

Man könnte meinen, ich hätte einen Plan gehabt, aber ich habe, glaube ich, viel Glück gehabt. Ich wollte in eine große Werbeagentur und dann ergaben sich viele Dinge einfach zur rechten Zeit. Nach einem Vortrag über paneuropäische Werbung sprach mich der Dozent Dr. Tostmann an. Er gab mir damals auch den Tipp, nach Münster zu gehen und Marketing bei Prof. Meffert zu studieren. Drei Jahre später habe ich ihn wieder gesehen und er hat mich angesprochen: „Komm doch mal zu uns in den Hainer Weg, dann schauen wir, dass du nach deinem Examen bei uns einen Platz findest.“ Und das habe ich gemacht und ich hatte tatsächlich ein Jahr vor meinem Examen einen Vertrag in der Tasche.

Wo bist du dann gelandet?

Von 1989 bis 1995 war ich dann bei Ogilvy & Mather. Zehn Jahre später bin ich dann wieder dorthin zurückgegangen.

Hattest du auch schon mal Zweifel, ob das das Richtige ist?

Nie, nicht eine Sekunde. Mein Onkel Horstl hat mal zu mir gesagt, du würdest dort auch arbeiten ohne Geld und auch noch welches mitbringen (lacht). Mir hat das einfach total viel Spaß gemacht. Insgesamt habe ich 21 Jahre in der Werbung verbracht und keine Sekunde war zu viel.

Wann hast du begonnen, deine Tätigkeit zu hinterfragen? Was war der Auslöser dafür?

Mein großes Vorbild, besagter Onkel und seine Frau, sind relativ früh mit 50 aus der Werbung rausgegangen. Und ich habe mich natürlich mit ihnen darüber unterhalten, warum das so ist und sie haben mir ihre Gründe genannt. Sie wollten ihr Leben leben, frei sein und so. Und ich habe mir damals gedacht, das ist toll, was ich hier mache, aber ich glaube, das ist nur toll, so lange du ein junger Mensch bist. Aber ich sollte irgendetwas finden, was mir dann auch weiterhin Spaß macht. Ich wusste, das wird nicht die Werbung sein. Ich wusste nicht, wann ich aussteigen werde, nur, dass ich irgendwann zwischen 40 und 50 bestimmt etwas anderes machen werde.

Hattest du eine Idee, was das sein könnte?

Die Idee war auf einmal da. Ich war ja dann wieder bei Ogilvy und hatte dort eine führende Position. Die Werbezeiten hatten sich verändert, mit der Maßgabe, vertrieblicher zu werden. Aber ich mache Marketing und keinen Vertrieb. Ich sprach dann mit meinem Kollegen und wir haben überlegt, dass wir das trainieren werden. Ich habe dann Kontakt zu einem alten Studienfreund aufgenommen, von dem ich wusste, dass er eine Trainingsakademie hat. Er hat dann ein Trainingskonzept geschrieben für uns und wir haben das gemeinsam umgesetzt. Und da dachte ich mir, der hat einen super Job, der sehr viele Parallelen hat zu dem, was auch mein Job war: Man entwickelt eine Strategie für den Kunden und dann kommt die Umsetzung mit Bildern und Filmen oder Anzeigen oder was auch immer. Nur das, was er gemacht hat, das war die Umsetzung von Trainingskonzepten. Der Unterschied ist, dass man in der Weiterbildungsbranche eine größere Nähe zu den Menschen hat. Da ist mir eines klargeworden, ich will Trainerin werden.

Gab es einen Schlüsselmoment?

Das hatte ich beim Skifahren in einer Linkskurve entschieden (lacht). Das war ein Schlüsselmoment, weil ich gemerkt habe, wenn ich Menschen etwas beibringe, was ich auch schon kann, macht mir das großen Spaß. Und ich glaube, dass ich dafür auch ein kleines Talent habe.

Welche Rolle spielte bei deiner Entscheidung die finanzielle Sicherheit?

In meiner Ausbildung als Trainerin habe ich auch eine MSA®-Ausbildung gemacht, dabei geht es um Motive: Was ist dir wichtig in deinem Leben, was sind deine Antreiber etc. Dabei kam heraus, dass ich ein hohes Sicherheitsbedürfnis habe. Anfänglich dachte ich, das ist doch Kokolores. Aber ich habe etwas gelernt auf dem Weg in meine Selbstständigkeit. Ich hatte mir ein Budget festgelegt. Das hätte mir erlaubt, allerdings sehr bescheiden, zwei bis drei Jahre finanziell über die Runden zu kommen. Was mich fertig gemacht hat, war die Umbuchung von meinem Geschäftskonto auf mein Privatkonto. Das war die Hölle, weil ich immer gesehen habe, das wird kleiner. Dann habe ich mir selbst einen Dauerauftrag gegeben und mir quasi Gehalt gezahlt. In dem Moment war ich cool. Dadurch war ich auch in den Gesprächen mit meinen Kunden souveräner und konnte eigentlich jedes Gespräch in Aufträge umwandeln. Auch signalisierte mir mein Partner, dass er mich in dieser Zeit unterstützen wird. Das gab mir Sicherheit.

Wie hat dein Umfeld auf deine berufliche Veränderung reagiert?

Ich selbst habe mich mit dem Image als Trainerin sehr schwergetan. Ich habe nicht dahintergestanden, ich habe mich zu Anfang geschämt. Das Image war in meinen Augen nicht gut. Es gibt ja viele Trainer, die sind so, wie man sich das nicht vorstellt, also das war nicht meine Idee davon. Werbung hingegen war Glamour pur. Es war schon eine Umstellung und auch mein Umfeld dabei mitzunehmen. Nicht verstanden hat es meine Mama. Die sagte zu mir: „Kind, du hast den Job gehabt, den hast du so geliebt, macht dir das jetzt Spaß?“ Sie hat es zum Glück noch erlebt, dass ich da genauso aufblühe mit dem, was ich in der zweiten Hälfte meines Arbeitslebens tue.

Wie bist du dann vorgegangen, was waren deine ersten Schritte?

Ich habe ja Marketing von der Pike auf gelernt. Musste dann aber feststellen, dass Marketing für sich selbst furchtbar ist (lacht). Nichts ist einem dann gut genug. Ich bin dann raus in den Markt mit dem Thema, dass ich ein Beziehungsmanager bin, also das, was ich den Menschen auch erzählt hatte: Ich komme, es geht um bessere bzw. klare Kommunikation, es geht um ein besseres Miteinander usw. Gibt es ein besseres Miteinander, ist am Ende auch das Ergebnis im Team besser. Und dann hatte ich das große Glück, auch in der Akademie als Trainerin arbeiten zu dürfen und da habe ich sozusagen das Laufen gelernt. Erst wollte ich das Handwerk lernen und die Sicherheit haben.

Ein sicherer Neustart

Nach zwei oder drei Jahren habe ich dann ein Working (mein Mix aus Workshop und Training) gemacht, das gut ankam und ab da wusste ich, jetzt sitzt und passt es. In der Zeit habe ich auch ein Angebot bekommen als Cheftrainerin einer großen Akademie. Da bin ich dann noch einmal in eine Festanstellung gegangen. Aber nach zwei Jahren war ich dann wieder weg, weil ich vorher zu sehr die Freiheit genossen hatte. Ich hatte dann keine Angst mehr vor Vertrieb. Ich habe verstanden, dass dieser Markt von Mund-zu-Mund-Propaganda lebt: Machst du einen guten Job, kommen die nächsten Aufträge. Ich habe auf Reputation gebaut und die Rechnung ist aufgegangen.

Bist du erfolgreich in deinem Job?

Das fällt mir schwer zu sagen, aber es ist wohl so, ja. Zum Teil gebe ich jetzt Jobs ab, weil ich es alleine nicht mehr schaffe. Ich kann sehr gut davon leben, mir macht es unglaublich viel Spaß. Die Jobs haben sich auch entwickelt, also ich mache nicht mehr die Trainings, sondern ich bin auch in den Coaching-Bereich reingegangen. Aber ich beziehe meine Leistung auf meine Person und habe nicht eine Akademie oder sowas aufgebaut und das werde ich auch so beibehalten.

Denkst du noch an die Zeit in der Werbung zurück?

In der Rückschau sehe ich es so, dass ich genau den richtigen Zeitpunkt erwischt habe, um auszusteigen, weil viele meiner KollegInnen dies nicht gemacht haben und mit ihnen möchte ich nicht tauschen. Wenn ich mit ihnen spreche, bekomme ich viel Bestätigung, dass ich genau das Richtige gemacht habe. Sie müssen sich heute zum Teil anbiedern, um irgendwelche Jobs zu machen, und das wäre überhaupt nicht meins gewesen.

Wo willst du noch hin oder wie gestaltest du deine vielleicht letzte Phase im Berufsleben?

Ich habe mal ein Coaching in einem Schrebergarten gehabt und das war großartig. Diese Freiheit, überall arbeiten zu können und auch noch näher an die Menschen heranzugehen, was man im Coaching hat. Einzelpersonen begleiten zu dürfen, ortsunabhängig zu sein, das ist mein Bild, was ich verfolge und das gelingt mir mehr und mehr. Und das kann ich, glaube ich, noch sehr lange machen. Das ist auch altersunabhängig, weil du lernst ja als Coach, wie man zuhört und aus dem, was du gehört hast, Dinge weiterzuentwickeln und da spielt mir das Alter in die Karten (lacht).

Hat sich deine Tätigkeit durch die Pandemie verändert?

Absolut. Von heute auf morgen wurde ja alles runtergefahren. Unsere Branche lag ja ziemlich am Boden. Ich bin auch im Präsidium des Berufsverbandes BDVT tätig und das war natürlich eine anstrengende und auch traurige Zeit, weil viele KollegInnen ihren Job verloren haben bzw. keine Reserven hatten, um eine Durststrecke zu überstehen. Ich habe einfach unglaublich viel von dem, was ich gemacht habe, in Online-Formate transformiert und vieles behalte ich auch bei. Auch hier hatte ich Glück, ich habe 6 Monate zuvor eine tolle E-Trainer-Ausbildung gemacht. Das gibt mir eine Freiheit, unabhängig von Ort, Raum und Zeit zu sein. Ich hatte in dieser Zeit noch mal eine sehr steile Lernkurve.

Sind aus deiner Sicht Frauen mutiger geworden, sich beruflich zu verändern?

Ich kann es ja nur aus meinem Blickwinkel sehen und aus dem des Coachings. Die Frauen, die ich da erleben darf, tun sich zum Teil schon schwerer. Ich finde es großartig, dass sie sich Hilfe suchen, um mutiger zu werden und um das auch umzusetzen. Da setze ich an und das finde ich toll. Viele machen ihr Ding, ganz gleich, ob das am Ende eine bessere Karriere ist, oder ob sie in dieser Business-Welt da draußen sagen, bis hier hin und nicht weiter, auch das empfinde ich als mutig.

Hast du ein Lebensmotto?

Mein Motto, das ich schon seit ganz vielen Jahren habe, heißt Spaß bringt Erfolg. Erfolg bringt Spaß. Es ist wurscht, wie man anfängt, ob es der Erfolg ist, der Spaß bringt oder der Spaß den Erfolg. Ich glaube, bei mir ist es so, dass der Spaß meinen Erfolg gebracht hat. Ich kann gar keinen Tipp geben, weil viele Zufälle meinen Weg irgendwie gesäumt haben. Ich kann nur sagen, die Augen und Ohren aufhalten und in sich hineinfühlen, sich zu fragen, ob das, was für einen sein könnte. Immer schauen, was macht das jetzt mit mir und daraus den nächsten Schritt zu entwickeln.