Auf den Hund gekommen: Durch Emma fiel die Entscheidung 

Jeannette

Alter: 59
Ausbildung: Studium BWL
Beruf früher:
Diplom Kauffrau; Produktmanagerin
Beruf heute: Inhaberin einer Hundeschule
www.hundeverrueckt.de

Mich reizte die Selbstständigkeit in einem Bereich, wo ich mich einfach super wohlfühle.“

(Lesezeit: 11 min)

Welchen Berufswunsch hattest du nach der Schule?

Ursprünglich wollte ich Flugbegleiterin werden. Das war eigentlich so mein Ding, aber ich wurde nicht genommen. Und die anderen haben studiert oder eine Banklehre gemacht. Es gab nur die zwei Sachen auf dem Land. Also habe ich studiert, erst auf Lehramt Sport, Französisch, Spanisch. Allerdings wurden Lehrer damals überhaupt nicht gesucht und so habe ich mich schließlich für BWL entschieden.

Hattest du Beratung, zum Beispiel durch deine Eltern?

Nee, meine Eltern haben immer gesagt, ich soll das machen, was ich möchte. Die fanden die Idee mit der Flugbegleiterin gut. Sie wollten, dass ich glücklich bin, das war wirklich toll. Meine Mutter war damals selbstständig. Sie hatte ein Geschäft für Damenoberbekleidung. Sie hätte es natürlich super gerne gehabt, dass ich da mit einsteige. Daran hatte ich aber gar kein Interesse und sie hat das akzeptiert. Meine Eltern waren damals außen vor; auch deshalb stand ich so ein bisschen blöd da, weil ich so gar keine Richtung hatte. Ich habe mich eher treiben lassen.

Nach dem Studium, wie ging es dann weiter?

Mit meinem Diplom habe ich mich vielfach beworben und dann führte mein Weg doch wieder zurück zur Lufthansa – zwar nicht als Flugbegleiterin, sondern im Produktmanagement. Dort habe ich meinen Mann kennengelernt und als wir Kinder bekamen – das war damals noch ganz klassisch – bin ich erstmal zu Hause geblieben. Ich wollte die Kinder aufwachsen sehen und wollte auch zu Hause sein. Nach einer Weile habe ich dann bei Lufthansa gekündigt. Ich bin eigentlich gar nicht mehr in den Beruf eingestiegen, weil ich immer mehr gemerkt habe, dass ein Großunternehmen nichts für mich ist, dass ich mich ungern in so ein großes Raster einfinde. Das habe ich schon in der letzten Zeit gemerkt, als ich noch arbeitete. Wenn du neue Ideen hattest oder wenn etwas entschieden werden musste, dann mussten da so viele Wege durchschritten werden, da bin ich überhaupt nicht der Typ dafür.

Als du bei der Lufthansa angefangen hast, welches berufliche Ziel hattest du vor Augen?

Also, das hat mich zunächst total fasziniert. Das Produktmanagement war eigentlich erstmal das, was ich wollte. Ich wollte viel reisen. Damals war ich war für Südasien zuständig, also Indien, Nepal, Pakistan. Die Arbeit war sehr vielfältig, nicht jeden Tag das Gleiche und ich war auch viel unterwegs in den Ländern. Das war schon gut. Und klar, willst du da auch weiterkommen. Das Ziel wäre jetzt gewesen, in der Hierarchie nach oben zu kommen, Teamleiter, Abteilungsleiter bspw., aber da habe ich schon gemerkt, das ist es ja gar nicht. Als junger Mensch nach dem Studium kommst du da rein und sagst dir, jetzt bewege ich hier mal was und dann merkst du, wie du immer mehr gestutzt wirst. Und da dachte ich, oh nein, meine ganze Energie geht ja hier flöten. Da wusste ich, dass ist es langfristig nicht.

Wie lange dauerte deine Arbeitsphase?

Ich war 5 Jahre dort beschäftigt. Und dann kam die Kinderphase sehr ausgeprägt und sehr lang. Währenddessen habe ich ein bisschen hier und da nebenbei gejobbt, bis ich wieder bei einer Firma im Projektmanagement und in der Beratung angefangen habe. Das hat mir auch unglaublich viel Spaß gemacht. Dabei habe ich gemerkt, dass ein kleines Unternehmen mit direktem Kontakt zum Kunden viele Möglichkeiten bietet, meine Ideen und Gedanken einzubringen, ich hatte da eine sehr selbstständige Arbeit.

Ist dir der Wiedereinstieg ins Berufsleben schwergefallen?

Nein, weil ich nie aufgehört habe. Ich habe für meinen Schwiegervater eine Weile gearbeitet, der als Trainer unterwegs war, für ihn habe ich bspw. die Unterlagen zusammengestellt. Ich bin eben am Ball geblieben. Und dann habe ich auch im Network Marketing ein bisschen gearbeitet, auch selbstständiges Arbeiten und dabei gemerkt, das macht mir Spaß und immer wieder gedacht, nochmal so ne richtige Selbstständigkeit, ja, das wäre schon cool.

Seit 2014 bist du nun als selbstständige Hundetrainerin erfolgreich. Wie kam es dazu?

Das hat sich dann irgendwie entwickelt. Mit unserer Hündin Emma zusammen zu arbeiten, das machte mir einfach mega Spaß. Hunde sind so anders als Menschen und doch verstehen wir sie so gut; es ist etwas ganz Besonderes. Mich reizte die Selbstständigkeit in einem Bereich, wo ich mich einfach super wohlfühle. Die Idee war, direkt mit Menschen zu arbeiten, aber eben im Zusammenhang mit Hunden, weil sie mir so am Herzen liegen und weil ich da so viele Lücken sehe. So viele Menschen haben Hunde, aber verstehen gar nichts. Ich hatte das Gefühl, dass ich da etwas einbringen kann und es da Bedarf gibt.

Wann hast du den Entschluss gefasst, ein Unternehmen zu gründen?

Unsere Emma wurde älter, langsamer und schwächer und irgendwann habe ich gefragt, ob ich sie ins Büro mitbringen kann. Ab da hatte ich sie von morgens bis abends um mich herum. Und so hat sich das noch einmal intensiviert. Die Idee war da und dann ist Emma von heute auf morgen verstorben. Wir alle waren total geschockt. Meine Reaktion war, das musste doch für irgendetwas gut sein. Daraufhin habe ich gekündigt. Das war für mich das Zeichen von Emma, dass ich mich intensiver mit Hunden beschäftigen soll. Allerdings hatte ich schon eine Zeit lang vorher überlegt, ob ich eine Ausbildung als Hundetrainerin parallel machen sollte. In die Tiefe reinzugehen, das hatte mich schon lange interessiert.

Das finanzielle Risiko einer Selbstständigkeit hast du nicht gescheut?

Als ich diese Entscheidung getroffen habe, die kam ja wirklich von jetzt auf gleich mit dem Tod, wollte ich nochmal raus aus dem Büro, nochmal in Bewegung kommen und habe mich nach einem guten Ausbilder umgeschaut. Auf der Suche danach bin ich auf einer Webseite auf einen Partner für Existenzgründung gestoßen und habe ihn kontaktiert. Der hat mich dann die ganze Zeit begleitet. Er hat mir gesagt, wo ich auch finanzielle Unterstützung während der Ausbildung bekomme. Diese Beratung möchte ich nicht missen. Er hat mir auch geraten, schon während der Ausbildung mit Hundebetreuung anzufangen, um Kontakte aufzubauen. Das war dann schon mal ein sanfter Einstieg. Ich war mir einfach sicher, dass ich Erfolg haben werde.

Welche Gedanken haben dich dabei umgetrieben?

Klar, habe ich überlegt, du bist in einem gewissen Alter, du hast schon gearbeitet, du hast schon Geld verdient, dein Mann verdient Geld, die Kinder sind auch schon groß, dass sie im Prinzip selbst Geld verdienen können und das Risiko ist jetzt nicht mehr so groß. Und du machst natürlich einen Businessplan, schaust, wie viele Hunde sind im Rhein-Main-Gebiet, wie viele Hundetrainer etc. Und wenn du mit dem Herzen dabei bist und denkst, das ist meine Berufung, ja, das mache ich jetzt nicht, um bisschen Geld zu verdienen, dann weißt du, das wird laufen – und so war es dann auch.

Deine First steps, wie ging es los?

2014 haben wir ein Gewerbe als Hundebetreuung angemeldet; das war noch während der Ausbildung. Das haben wir ein gutes Jahr gemacht und dann habe ich im September die Prüfung beim Veterinäramt abgelegt. Direkt danach kannst du dann deine Hundeschule oder dich als Hundetrainer anmelden. Webseite haben wir anfangs selber gemacht, dabei konnte ich auch von meinen Erfahrungen im Marketing schöpfen. Aber auch hier war mir der Existenzgründer-Helfer eine große Stütze. Er war spezialisiert auf Hundeschulen und Hundefriseure. Das war perfekt. Wir haben uns sehr eng ausgetauscht. Der hat mich an die Hand genommen – das kann ich jedem nur empfehlen, sich so jemanden zur Seite zu stellen. Das wird auch von staatlicher Seite gefördert.

Bist du eine „Corona-Gewinnerin“?

In der Corona-Zeit gab es einen richtigen Schub, da sind wir ziemlich an unsere Grenzen gekommen. Da hatten wir bspw. in einer Woche vier Welpenkurse, plötzlich gab es wahnsinnig viele Hundebesitzer. Da haben dann auch mein Mann und meine Töchter unterstützt, die ich angelernt habe und die ja auch mit reingewachsen sind. Die  Mädels haben uns im Bereich Website, Social Media und Buchhaltung geholfen. Wir haben uns auch extern Hilfe geholt, als wir merkten, das kriegen wir selber nicht hin, zum Beispiel Online-Trainings haben wir mit einem Kamerateam gemacht. Auch für unsere Webseite haben wir mittlerweile jemanden, der sich um alles kümmert. Dadurch konnten wir Dinge automatisieren, da es einfach sehr viel wurde.

Was sind eure Ziele?

Ich werde bald 60 und klar wird man da auch gefragt, wann gehst du in Rente. Hallo, ich Rente? (lacht) Nein, weil es einfach mein Leben ausmacht und weil es das ist, was mir mega Spaß macht. Ich möchte das Geschäft noch ein bisschen mit meinem Mann ausbauen, der mit dazu kommen wird. Das ist schon gut, wenn man noch einen zweiten Trainer hat. Ich habe das einfach nicht hingekriegt, jemanden zu finden, dem ich in der Arbeitsweise so vertrauen kann, denn man arbeitet ja am Menschen und am Hund und das muss schon deiner Vorstellung entsprechen. Und bei unserer Familie da weiß ich, die arbeiten genau in dieselbe Richtung. Ich möchte natürlich auch die Online-Trainings noch weiter ausbauen. Das macht mir auch Spaß, konzeptionell zu arbeiten.

Wie schaust du auf deine berufliche zurück?

Letztendlich, glaube ich, habe ich alles richtig gemacht. Es hat sich so entwickelt und es sollte alles so sein, wie es war. Ich bereue nicht das Studium, nicht die Zeit bei Lufthansa und schon gar nicht die Elternzeit. Aber jetzt am Ende diese Selbstständigkeit, das ist schon cool. Und gerade in dieser Phase des Lebens empfindeich das als krönenden Abschluss.

Glaubst du, dass die Frauen heute mutiger sind, sie heute früher den Schritt in die Selbstständigkeit wagen?

Ich glaube es, ehrlich gesagt, nicht. Einfach, weil man der Typ dafür sein muss. Ich denke, es ist eher typabhängig als generationsabhängig. Natürlich ist es eine andere Situation, wenn man nicht allein für die Existenzsicherung verantwortlich ist. Meine Mutter war Mitte 30, als sie sich selbstständig gemacht hat, und hatte auch immer diese Vision und dann hat sie es gemacht. Vielleicht liegt es ja in den Genen (lacht). Sie war mutig und hat den Schritt gemacht, aber natürlich hatte mein Vater eben auch eine Festanstellung.

Was ist aus deiner Sicht entscheidend, wenn ich diesen Schritt gehen möchte?

Wenn man das ganz rational beantwortet, ist es der Existenzgründer-Helfer. Aber wenn ich das wirklich will, dann gehe ich da auch nicht blauäugig rein, dann überlege ich, was kostet mich das, was habe ich für ein Risiko. Bei mir war das relativ einfach: Das war die Ausbildung, aber ich musste keine Produkte einkaufen, keinen Raum anmieten etc. Es war keine große Investition nötig. Aber genau darüber muss ich mir Gedanken machen: Schaff ich das überhaupt? Kann ich das auch mental durchhalten? Aber, wenn da dieser Wunsch ist, dieser Traum, ja, das will ich, dann findet sich auch der Weg. Nur nicht so schnell entmutigen lassen! Man hat auch Rückschritte, aber man muss nach vorne gucken, die Energie musst du aufbringen. Es ist keine Anstrengung, aber man muss stark sein.